Tanztherapie
- Mein Verständnis von Tanztherapie
- Tanztherapie für Menschen, die ...
- Einsatzgebiete für Tanztherapie (mögliche Arbeitsbereiche)
- Angebot von Einzel- und Gruppentherapie und Supervision
- Vortrag über Tanztherapie (Integrative Therapie)
1) Mein Verständnis von Tanztherapie
Das Schöne der Tanztherapie liegt in der Chance, den Menschen in seiner Ganzheit wahrzunehmen. So ist die Sprache nur ein Teil der möglichen Auseinandersetzung mit sich selbst. Vielmehr nehme ich den Menschen in seiner Haltung, Bewegung, in seiner innerlichen Gestimmtheit wahr. Ich arbeite mit den Phänomenen, die sich im Körper, in der ganz basalen Bewegung zeigen und begleite von dort aus zu den dahintersteckenden Strukturen.
In der Tanztherapie steht insbesondere das Erleben und Erfahren von teilweise schon bewußten Mechanismen im Vordergrund sowie das Aufdecken von diesen. Es entsteht ein Spielraum, sich neu auszuprobieren, um anderen Wege für sich zu entdecken, die entlastend und unterstützend für einen selbst sind. Besonders sogenannte "Kopf"-Menschen erhalten die Chance, sich wieder zu spüren, Körper und Geist wieder zu verbinden. Wenn Kopf-Analysen nicht mehr weiterbringen, ist es gut "in Bewegung zu kommen". So kann sich jeder selber überraschen und wieder neugierig auf sich werden. Tanztherapie ist somit eine sehr ressourcenorientierte Therapie, die die eigenen Ressourcen und Energien aufdeckt und nutzt. Sie bringt das schöfperische Potential des Menschen hervor, so dass diese wieder zum Gestalter des eigenen Lebens wird und dadurch sein Leben seine eigene Kreation wird.
Im Alltag werden wir von vielen Einflüssen fremdbestimmt. In der Tanztherapie-Stunde gibt es Raum, wieder an eigene Wünsche und Bedürfnisse anzuknüpfen. Das gelingt insbesondere durch die Förderung der leiblichen Bewußtheit und des emotionalen Ausdrucks.
2) Tanztherapie für Menschen, die
- sich wieder spüren wollen
- neugierig auf sich sind / sich über ihren Körper kennenlernen wollen
- das Gefühl haben, im Leben "stehen zu bleiben"
- Burn-Out-Symptome haben oder diesen vorbeugen wollen
- in Kontakt mit sich und/oder anderen nicht weiterkommen
- sich gefühlsarm und leer fühlen
- genug über alles geredet haben, aber weiter fragend sind
- körperliche Symptome haben (Rücken-, Kopfschmerzen, Bewegungshemmungen/-einschränkungen) und diese verstehen wollen
- für sich und ihre Gefühle keine Worte finden.
- sich neu orientieren wollen
- in Krisensituationen sind
- als Paar neue Begegnungsmöglichkeiten und Verständnis suchen
- Essstörungen haben
3) Einsatzgebiete für Tanztherapie
Tanztherapie ist sinnvoll in
- der Psychiatrie und Psychotherapie
- Beratungsstellen
- Mediationsstellen für Paare
- Krisenzentren
- als Supervision
usw.
4) Angebot von Einzel- und Gruppentherapie und Supervision
Einzel- und Gruppentherapie biete ich in meiner eigenen Praxis sowie in Räumen interessierter Institutionen an.
Supervision biete ich mit tanztherapeutischen Methoden für Menschen an, die in therapeutischen und sozialen Bereichen arbeiten. Hierbei geht es um das Begreifen von institutionellen oder intra- und interpersonellen Zusammenhängen auf einer kreativen, bewegten und eindrücklichen Art und Weise.
Bei Interesse und Fragen nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.
5) Vortrag über Tanztherapie (Integrative Therapie)
"Tanz richtet sich immer an die gesunde Seite der menschlichen Natur."(Schoop, 1981, 72).
Über seinen Körper erfährt der Mensch seine Außenwelt mit seinen Sinnen (Wahrnehmungsfähigkeit). Er kann von seiten des Geistes und/oder des Körpers beeinflußt werden. (Veränderung von Körperverhalten kann deswegen zur Veränderung der geistigen Haltung führen und umgekehrt). D.h. Geist und Körper stehen in dauernder Wechselbeziehung zueinander. Der innere Zustand des Menschen zeigt sich in der Haltung und in der Art wie der Körper zentriert ist sowie in seinem Rhythmus, seinem Tempo, seinen Lauten, Gebrauch von Spannung und Energie, seiner Beziehung zum Raum, seiner Wandlungsfähigkeit.
"Jedesmal, wenn eine gefühlsmäßige Reaktion zum vollen Ausdruck gekommen ist, erlangt der Idealkörper sein Gleichgewicht wieder." (Schoop, 1981, 48) Können Gefühle verkörpert werden, bleiben keine Rückstände und die Zentrierung ist wiedererlangt. Jedoch haben viele verlernt, Gefühle auszudrücken und sie wahrzunehmen.
Durch die aktive Suche im Tanz kann also das, was durch den zerstörererischen und krankmachenden Einfluß von entfremdeter Bewegung verloren, zerstört oder tief vergraben schien, wiedergefunden werden und zum Ausdruck kommen. Die im Tanz zu erfahrene Kreativität fördert das Gefühl des Lebendigseins und beeinflußt die Persönlichkeitsentwicklung positiv. Neues Sinn-Verständnis und erweiterte Wahrnehmungsfähigkeit werden entwickelt.
Tanztherapie soll im allgemeinen Sensiblisierung für sich und den Körper sein sowie Aufbau eines adäquaten Körperbilds leisten. Im Tanz ist der Körper in all seinen Dimensionen erfahrbar (gespeicherte Erinnerungen, Körperbild, Sammelbecken der Gefühle, Körperlichkeit, usw.).
AnalytikerInnen entwickeln Methoden das Unbewußte zu erschlüsseln. Hingegen TänzerInnen Methoden der Beobachtung und Verwendung von Bewegung entwickeln und darüber versuchen, den Zugang zu unbewußten Schichten der PersönlichkeIt zu finden. Dabei wird die Freisetzung von Szenen und Gefühlen durch Bewegung genutzt.
Die Tanztherapie in der Integrativen Therapie versteht den Menschen als immer in Beziehung stehendes und auf Beziehung angewiesenes Wesen (ein ko-existierendes Wesen) (Konzept der Ko-respondenz). Die Tanztherapie ist außerdem verknüpft mit den Theorien über Leiblichkeit und Kreativität. (Konzept des Leibs: der Leib mit seinen Fähigkeiten der Perzeption, der Memoration, der Reflexion und der Expression (Petzold 1988)). Leib, Lebenswelt (Kontext) und Biographie (Kontinuum) machen in ihrem Zusammenwirken unsere Persönlichkeit aus.
Die TherapeutInnen nutzen die körperliche Resonanz als Information für weitere Interventionen und machen ebenfalls den Klienten/die Klientin auf ihre körperliche Reaktionen aufmerksam. Dementsprechend wird in der Tanztherapie (der Integrativen Therapie) „von den Phänomenen zu den Strukturen“ gesprochen. So kann über diese an die eher („hinter“ den Phänomenen) versteckten Strukturen herangekommen werden. Strukturen werden verstanden als „verdichtete Szenen“ / Beziehungerfahrungen, die ihrerseits die weitere Strukturbildung mitgestalten.
Im Leib werden unbewußte Erfahrungen gespeichert, „eingeschrieben“; daraus entstehen z.B. Gefühle wie „zerfließen“, der Reflex „mit dem Rücken an die Wand zustehen“, die Angst vorm Fallen, usw.. So werden von Szenen auch die dazugehörigen leiblichen Empfindungen gespeichert („Leibgedächtnis“)! Manchmal geht später der Zusammenhang zwischen Szene und Leibempfinden verloren, wird verdrängt, vergessen; aber der leibliche Impuls bleibt erhalten. Ein Bewegungsimpuls kann dann Ausgangspunkt für Rekonstruktion einer gesamten Szene sein, das Leibgedächtnis wird aktiviert.
Daß das Erlebte im Tanz oft so schwer in Sprache auszudrücken ist, kann darauf zurückgeführt werden, daß Erlebnisse bzw. Atmosphären, die prä-verbal entstanden sind, tangiert werden. Somit können Bewegungen prä-verbale Atmosphären und Stimmugen evozieren. Deswegen soll auch der sprachliche Ausdruck vom Erlebten gefördert werden (Durchdringung von Verbalität und Non-Verbalität). Durch dieses verbale Durcharbeiten der Erfahrung und Selbstbeobachtung im Tanz wird bewußt gemacht und kann integriert und verändert werden. Tanztherapie ist demnach nicht nur erfahrungs- und erlebnisorientiert.
Die drei methodischen Wege in der Tanztherapie:
- Tanztechnik (Erweiterung des Bewegungs- und des Ausdrucksrepertoires)
- Improvisation (sich den eigenen Bewegungsimpulsen überlassen ohne rationale Kontrolle / entdecken der eigenen Ausdrucksfähigkeit)
- Gestaltung (Transformation der Gefühle und Erlebnisse in eine Bewegungsgestalt als Verdichtung und Reflexionsmöglichkeit)
Die Tanztherapie arbeitet übungs-, erlebnis- oder konfliktzentriert.
übungszentrierte Ausrichtung:
Geübt werden z.B. funktionelle Möglichkeiten des Körpers,Ausdrucksverhalten, Raumverhalten, rhythmische Abläufe oder verschiedene Effortqualitäten, dadurch wird aufgenommen, das viele Bewegungseinschränkungen bedingt sind durch Nicht-mehr-Wissen, Vergessen, Nie-Gelernt-Haben von funktionalen Abläufen und körperlichen Möglichkeiten (z.B. Beweglichkeit der Wirbelsäule, Aktivierung von Becken und Brustkorb)
Die Übungen setzen wir immer in einen Bezugszusammenhang, um die Verschränkung von Individuum und Umwelt zu verdeutlichen. Durch andere Möglichkeiten anderes und neues Erleben möglich.
So können z.B. Formen von Wut und Zorn in tänzerisch festgelegter Form geübt werden, bis ein Repertoire entsteht und der persönliche Affekt erscheinen kann.
Methode: Tanztechnik
Technik hat hierbei dienende Funktion als Erweiterung des Bewegungs- und des Ausdrucksrepertoires (neue Zugangsweisen zur Welt). Außerdem vermittelt Technik Halt, Struktur, Klarheit, Eindeutigkeit und wird dadurch überschaubar und vermindert Ängste. In Bewegungsabläufen wird auf leibliche Empfindungen, Reaktionen und Resonanzen aufmerksam gemacht.
Die TherapeutIn kann sich durch Aneignung der Bewegungsweisen und –ausdrücke des Klienten/der Klientin, Zugang zur seiner/ihrer Welt erhalten und besseres Verständnis erlangen.
erlebniszentrierte Ausrichung:
Dabei bieten wir den KlientInnen einen Spielraum an, mit ihren Bewegungen zu experimentieren.
Wir setzen beim "schöpferischen Menschen" an und können somit ressourcenorientiert arbeiten. Da auch positive Erfahrungen gespeichert sind, können diese hervorgeholt, reaktiviert, neu verfügbar gemacht und in die aktuelle Lebensweise integriert werden.
Es können auch alte Reaktionsmuster, Strukturen, Erinnerungen evoziert und ins Bewußtsein gebracht werden. Durch konfliktzentrierte Arbeit ist es möglich diese zu modifizieren und neu zu gestalten.
Improvisiert wird nach Musik, Emotionen, Bewegungsqualitäten, Vorstellungsbildern, geleiteter Imagination, Aufnehmen von Bewegungen von Gruppenteilnehmern...
Methode: Improvisation
Improvisation bedeutet, sich den Bewegungsimpulsen zu überlassen und Erlebnisse, Gefühle, Empfindungen auszutanzen. Es ist eine Exploration von einem Thema oder Gefühl ohne rationale Kontrolle (vergleichbar mit der „freien Assoziation“). In der Improvisation ordnet und strukturiert der Therapeut/die Therapeutin so, daß ein Entdecken der eigenen Ausdrucksfähigkeit ermöglicht wird. Sie gestaltet einen (Schutz-)Rahmen, in dem Freiheit erlebt werden kann und Veränderung sowie Entwicklung möglich ist. Gefühle können durch Improvisation wiedererlebt oder neue geweckt werden. So kommen Lebensenergie, Ideen, Phantasien und Wünsche zum Ausdruck.
In der Improvisation erlebt der Mensch, daß er mehr ist and anders als nur ein gut oder schlecht funktionierender Körper (funktions- und wertfrei). Durch Improvisation wird seine Selbständigkeit gefördert.
Das Augen-schließen hilft dabei, die Ralitätskontrolle zu lockern und sich den inneren Bildern zu überlassen. Vom Ausdruck kommen sie dann zum Bewußtsein, nicht umgekehrt.
[„authentic movement“ ist eine spezielle Art davon. Dafür werden die Augen beim Tanz geschlossen, so dass das Ich die Kontrolle aufgibt und dem Selbst erlaubt, die Bewegung zu übernehmen. Dabei ist der Therapeut/die Therapeutin der „Zeuge“/die „Zeugin“.]
konfliktzentrierte Ausrichtung:
Diese Ausrichtung führt an die Entstehungsgeschichte und an die aktuellen Mechanismen der Aufrechterhaltung der belastenden Strukturen. Es ist aufdeckende Arbeit.
Bewegungssequenzen werden festgehalten, und somit können sie wiederholt werden und ermöglichen die Chance des genauen Blicks darauf (Eine Möglichkeit der Exzentrizität auf sich, die eigene Situation, das eigene Leben).
Für die tänzerische Gestaltung ist Entscheidung, Ausdauer und Aktivität nötig, Fähigkeiten, die neurotische KlientInnen oft für sich selber verloren haben.
Die Gestaltung und verbal-therapeutische Prozessw für Bewußtmachung und aktive Veränderung greifen hier ineinander über.
Methode: Gestaltung
In der Gestaltung transfomiert der Klient/die Klientin seine/ihre Gefühle und Erlebnisse in eine Bewegungsgestalt oder choreographiert eine Folge mit seinen/ihren bevorzugten Bewegungsmustern. In dieser Darstellung wird ihm/ihr Distanzierung, Reflexion, Einsicht und Verstehen der Zusammenhänge möglich. Dabei ist es wichtig, bei dem kontrollierten Bewegungsausdruck das zugrundeliegende Gefühl nicht zu verlieren. Dieses Gestalten macht den Klienten/die Klientin zu einem „Komponisten“ seiner/“Komponistin“ ihrer selbst und zeigt seine/ihre Perspektive auf. Meist ist mehr in der Gestaltung beinhaltet als zuerst vermutet, so daß sich neue Perspektiven entdecken lassen („mehrperspektivische Sichtweise“ (Petzold)). Ein hervorzuhebenes Merkmal der Gestaltung ist ihre Wiederholbarkeit, indessen der Tanz sonst eher ein sehr flüchtiges Phänomen ist.
Der Einsatz der drei Methoden hängt von der Problematik des Klienten/der Klientin ab und deren/dessen Persönlichkeitsstruktur.
Literatur:
- Schoop, Trudi: ... komm und tanz mit mir! Zürich 1981
- Willke, Elke: Tanztherapie – Grundzüge der Entwicklung tanztherapeutischer Praxis und Theorie. In: Petzold,H. (Hg): Tanztherapie, Theorie und Praxis. Paderborn 1992
- Petzold, Hilarion: Integrative Leib- und Bewegungstherapie. Bd. I, II, Paderborn, 1988
- Peter-Bolaender, Martina: Tanz und Imagination, Paderborn 1992